Mein Schreibprozess, Teil 3
Heute geht es darum, wie die Figuren in meinen Geschichten entstehen. „Figurenentwicklung“ klingt ja wieder sehr nach Planung, und wenn du Teil 1 und Teil 2 dieser Reihe gelesen hast, weißt du, dass ich nicht immer sehr strukturiert vorgehe – zumindest nicht am Anfang des Schreibprozesses.
Daria, die Heldin meines Jugendromans „Daria und das Geheimnis der Ornamentwüste“ ist tatsächlich völlig unerwartet bei mir aufgetaucht, während ich noch dabei war, meinen ersten Roman, „Der Mond von Yazahaan“ zu überarbeiten.
Ich war gerade beim Yoga – vielleicht haben die ruhigen Brauntöne des Holzbodens im Studio den Ton angegeben?- als plötzlich mitten während der Übungen ein junges Mädchen vor mir stand. Vor meinem inneren Auge natürlich. Sie stand im Wüstensand, trug Kleidung in Braun bis Beige und sah mich abwartend und leicht kritisch an.
Ich war auf der Stelle neugierig. Wer war dieses Mädchen? Wo lebte sie? Was könnte ihre Geschichte sein? Den Rest der Yoga-Stunde war ich mehr mit diesen Fragen als mit den Übungen beschäftigt, und obwohl ich mit meinem ersten Roman noch nicht fertig war, habe ich begonnen, Ideen zu diesem fremden Mädchen in ein Notizbuch zu schreiben.
Recht schnell hat sie mir ihren Namen verraten: Daria. Ich erfuhr, dass sie in oder am Rand einer großen Wüste wohnt, und dass der Name der Wüste „Ornamentwüste“ ist, benannt nach besonderen Mustern, die sich dort jede Nacht bilden.
Alles andere blieb lange vage. Ich hatte Ideen, Schnipsel von Szenen, ich wusste, dass Daria jemand war, der aneckte. Das hatte ich gleich von Anfang an gesehen – die Herausforderung lag in ihrem Blick: Traust du dich, über mich zu schreiben?
Erst als Casdans Geschichte über Yazahaan abgeschlossen war, und ich wirklich Zeit für sie hatte, hat Daria begonnen, sich mir zu öffnen. Durch das Schreiben der ersten Szenen (pures Entdecken, null Plan! Siehe dazu auch meinen Blog Post „Planer versus Entdecker„) begann ich, mehr über sie herauszufinden. Und so habe ich sie im Laufe des ersten Akts „entdeckt“.
Inzwischen habe ich eine ziemlich genaue Vorstellung davon, wie sie tickt, was ihre Stärken und Schwächen sind, kenne ihre Familie und Freunde, weiß Geheimnisse, die ihr selbst noch unbekannt sind. Trotzdem schafft sie es immer wieder, mich zu überraschen. Wie ein richtiger Mensch. Und was genau sie am Ende des dritten Akts anstellen wird, um ihren Problemen und Konflikten die Stirn zu bieten, hat sie mir noch nicht verraten. Wir werden es zusammen herausfinden. Bin schon gespannt, was sie anstellt, aber sie wird es schaffen, davon bin ich überzeugt.
Hast du auch manchmal das Gefühl, Personen aus Büchern sind genauso real wie die aus deinem richtigen Leben? Wenn du selbst schreibst: Wie entwickelst du deine Figuren – oder entwickeln sie sich selbst? Erzähl es mir gerne in den Kommentaren!
Bis zum nächsten Mal!