Wenn Figuren oder Szenen aus Büchern gehen müssen
Vielleicht hast die Phrase schon mal gehört: Kill your darlings! Das ist eine sehr berühmte Forderung an alle Schreibenden: Gerade die Szenen, Figuren oder Formulierungen, die man besonders gerne mag, müssen besonders scharf unter die Lupe genommen und eventuell gestrichen werden. Die Gefahr ist nämlich groß, dass man sie nur drin lässt, weil man sie mag, nicht, weil sie für die Geschichte wichtig sind. (Das heißt natürlich nicht, dass man seine Hauptfigur rausstreichen soll, weil man sie mag. Nur, wenn sie für die Geschichte überflüssig ist. Aber dann braucht man vermutlich eine neue … so ganz ohne Hauptfigur schreiben ist schwierig … oder sehr experimentell.)
Wie sieht das in meinen Geschichten aus?
Während des Lektorats von „Sonnengeküsst“, der Kurzgeschichte, die bald in der Anthologie „Sonnen-Erwachen“ der Münchner Schreiberlinge erscheint, ging es um eine Figur, die laut Lektorin „raus“ musste. Nicht komplett, aber eine Szene, die ich ganz lustig fand, war im Grunde überflüssig. Meinte die Lektorin, und meine hauseigener Testleser auch. Zuerst ist es mir schwergefallen, weil ich durchaus einen Sinn in der Szene gesehen habe, aber nach einigem Nachdenken musste ich zugeben, dass Lektorin und Testleser richtig lagen. Die Szene hatte keinen Mehrwert. Weg damit.
In meinem New Adult Roman „Der Mond von Yazahaan“ hatte ich mir eine lange Szene ausgedacht, die die Backstory einer Figur beleuchtet. Ich hab sozusagen ihre Familiengeschichte skizziert, noch dazu hauptsächlich via „tell“, not „show“. Ich mochte es. Aber im Grunde war die Szene für den Leser nicht wichtig. Ich selbst musste den Hintergrund der Figur kennen, damit ich sie logisch handeln lassen konnte, aber für die Leser war es nur Beiwerk. Also hab ich die Szene kürzer und kürzer gemacht – ich dachte, vielleicht kann ich ja noch ein bisschen etwas retten. Aber am Ende ist nur ein Mini-Paragraph übrig geblieben, den ich als Überleitung zwischen der Szene davor und danach gebraucht habe. Sorry, liebe Familie der Figur, ihr musstet leider raus … (Jetzt fristen sie ein etwas karges Dasein im Ordner für gelöschte Szenen/Schnipsel.)
Mein aktuelles Jugendroman-Projekt, „Daria und das Geheimnis der Ornamentwüste“, ist ja noch in der Wachstumsphase aka erste Fassung. Aber mir ist jetzt schon klar, dass das Tempo am Anfang des zweiten Akts sehr gemächlich ist. Da gibt es Szenen, die nicht unbedingt sein müssen, oder zumindest nicht so lang. Ich fürchte, liebe Nebenhandlungs-Szenen und -Figuren, das Messer (bzw. die cut-Tastenkombi), wartet auf euch! Bis jetzt seid ihr noch verschont geblieben, weil es ja immer heißt, man soll sich beim Schreiben der Rohfassung nicht damit aufhalten, den Anfang zu überarbeiten. (Was ich nicht immer ganz befolge. Aber zumindest mache ich mir meistens nur in-Text-Anmerkungen und schreibe nicht komplett um.) Aber irgendwann seid ihr fällig …
Wie sieht das bei dir aus? Beim Schreiben: hast du Mühe damit, Lieblinge auszumerzen? Oder bist du da ganz hart? Beim Lesen: Hattest du schon mal das Gefühl, der Autor/die Autorin hat eine Lieblingsfigur, die zu viel Seitenplatz bekommen hat? Oder hast du gedacht, die Szene hätte aber kürzer gekonnt? (Ich hab das bei Filmen immer bei Autoverfolgungsjagden. Die könnte man meistens um die Hälfte kürzen … aber das bin halt ich … die Männer in meiner Familie finden das gar nicht …)
Ich wünsche dir auf jeden Fall viel Spaß beim Lesen – mit lauter Szenen, die unterhaltsam sind!
Bis bald!